RECENSIONI
Daniele Menozzi

Sacro Cuore

Un culto tra devozione interiore e restaurazione cristiana della società

Viella - Roma 2001 - ISBN 88-8334-045-0, 319 S. 25.90 Euro

Im Zuge der immer stärker werdenden Erforschung der Frömmigkeitsgeschichte hat nun der Historiker Daniele Menozzi eine umfangreiche Arbeit zu Ende geführt, die sich jedem empfiehlt, der sich mit der Geschichte der Herz-Jesu-Verehrung, zumal mit den politischen Implikationen dieser Frömmigkeit beschäftigt. Für Dehonianer ist dieses Buch um so mehr eine ‚obligatorische’ Lektüre, als es in bisher einzigartiger Weise der Figur Leo Dehons wissenschaftliche Aufmerksamkeit verleiht.

I. Zum Autor

Daniele Menozzi (Jahrgang 1947) hat seine wissenschaftliche Ausbildung vor allem an der Universität Bologna erhalten, wo er 1970 mit einer Arbeit über die Haltung der Turiner Kirche gegenüber der Industrialisierung in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts promovierte. Wenngleich er mittlerweile ordentlicher Professor für Kirchengeschichte an der Universität Florenz ist, bleibt seine Forschungs- und Herausgebertätigkeit weiterhin jenem Istituto per le scienze religiose in Bologna verbunden, das zum herausragendem Zentrum der historischen Erforschung des Christentums mit Bedeutung weit über den italienischen Raum hinaus geworden ist. Daniele Menozzi gehört u.a. zur Schriftleitung der Zeitschrift „Cristianesimo nella storia“ und hat zusammen mit G. Filoramo eine vierbändige “Storia del cristianesimo” herausgegeben (Roma-Bari 1997). Schwerpunktepoche seiner Forschung ist die Zeit von der Französischen Revolution bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Der Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit der Moderne gilt dabei sein Hauptinteresse, wie ein Blick auf einige seiner Buchtitel belegt: Letture politiche di Gesù. Dall’Ancien régime alla Rivoluzione, Brescia 1979 (übers. ins Französische); La chiesa cattolica e la secolarizzazione, Torino 1993 (übers. ins Portugiesische); Li avrete sempre con voi. Profilo storico del rapporto tra chiesa e poveri, Torino 1995.

In den vergangenen Jahren beschäftigte sich Daniele Menozzi zunehmend mit der Geschichte der Herz-Jesu-Verehrung. So sind einige bereits in der Vergangenheit anderweitig veröffentlichte Beiträge in das vorliegende Buch eingeflossen, worauf der Autor selbst - keine Selbstverständlichkeit im der heutigen Literatur - zu Beginn seines Buches hinweist (15).

II. Zum Inhalt des Buches

In einer kurzen Einleitung zeigt Menozzi anhand verschiedener Ansprachen und Schreiben Johannes Pauls II. auf, dass die Herz-Jesu-Verehrung im päpstlichen Lehramt ihren Kontext in der Auseinandersetzung der Kirche mit der Moderne hat und eine Antwort auf jene Tendenzen ist, die ausgehend von der Aufklärung die Trennung von christlichem Glauben und menschlicher Vernunft vorangetrieben haben bis zur Leugnung der christlichen Fundamente der Gesellschaft: „Dagli atti di Giovanni Paolo II emerge (...) una politicizzazione del culto al s. Cuore non solo in funzione del diritto civile familiare, ma anche, più complessivamente, in relazione alle norme fondamentali della convivenza umana“ (12).

Dieser Feststellung stellt er „una ormai sedimentata acquisizione storiografica [gegenüber]: la devozione al s. Cuore è stata una delle caratteristiche salienti della pietà alimentata da quella cultura intransigente che, diventata egemone nel corso dell’Ottocento, intendeva contribuire alla restaurazione di un ordinamento di tipo ierocratico, presentato come l’unica possibile via di salute per una umanità che nel corso dell’età moderna si era sottratta alla direzione ecclesiastica” (12).

Dieses Ergebnis historischer Forschung ist sowohl Ausgangspunkt als auch roter Faden des ganzen Buches, dessen Absicht Menozzi genau umreisst: „Questo libro intende appunto analizzare le dimensioni politiche che sono state attribuite alla pietà per il s. Cuore, nel periodo che va dalle rivelazioni di Margherita Maria al pontificato di Pio XI, allorché un intervento dottrinale del papato ne fissò in termini precisi e duraturi il significato complessivo” (13).

Derart soll jenes Material erbracht werden, das schließlich eine Antwort ermöglicht auf die Frage, ob das Aufgreifen der Herz-Jesu-Verehrung durch Johannes Paul II. in oben genanntem Sinne “residuo linguistico di un uso secolare” (13) oder doch mehr ist.

In einem ersten Teil seines Buches “I. Una devozione per ‘gli ultimi tempi’: aspetti politici nel cammino iniziale del culto al s. Cuore” (19-106) geht Menozzi von den Offenbarungen Margherite-Marie Alacoques aus und zeigt deren politisches Potential auf: “Negli ultimi tempi di cui la frattura religiosa indica un segno, le rivelazioni offrono (...) l’estrema risorsa per ottenere il ristabilimento dell’unità religiosa sotto un sovrano cattolico” (23). Die von Alacoque erfahrene Botschaft des Herzens Jesu an Ludwig XIV. - sie gelangten nie in seine Hände - verbanden die Herstellung der Christianitas mit der Förderung der Herz-Jesu-Verehrung und der Weihe des Monarchen an dasselbe. “Il s. Cuore diventa il canale devozionale che permette a Luigi XIV di realizzare un disegno costantiniano:(...) diventare il nuovo ‘luogotenente della chiesa’ (...), ristabilire il santo impero cattolico capace di sconfiggere tutti i nemici di una ricostituita cristianità” (25).

In den ersten Jahrzehnten nach dem Tod der Alacoque (1690) kam die politische Relevanz ihrer Offenbarungen kaum zum Tragen. Spätestens ab 1729 mit der Alacoque-Biographie von Mgr. Languet de Gergy (Soissons) wurde die Herz-Jesu-Verehrung jedoch zu einem Trennungskriterium zwischen Jesuiten und ihren Gegnern (Gallikane, Jansenisten), kristallisiert im Streit um die Bulle Unigenitus (1713). Mit der Weigerung der Riten-Kongregation - unter dem Einfluß der katholischen Aufklärung -, ein eigenes Herz-Jesu-Fest im liturgischen Kalender einzuführen, verschob sich die innerkirchliche Konfliktlinie: Die Herz-Jesu-Verehrung wurde von ihren Befürwortern als Kampfmittel gegen eine aufgeklärte Frömmigkeit benutzt. Im Konflikt des Bischofs Scipione de Ricci mit Papst Pius VI. gegen Ende des 18. Jahrhunderts trafen nicht nur aufgeklärte und Herz-Jesu-Frömmigkeit aufeinander. Unterschiedliche Auffassungen über den Ursprung der weltlichen Autorität standen im Hintergrund: Da in der Herz-Jesu-Verehrung in neuer Form jene göttliche Souveränität verehrt werden sollte, aus der jede andere auch weltliche hervorgeht, kam es zu ersten Konflikten zwischen Rom und absolutistischen Herrschern (57-76), die ihrerseits versuchten, den Herz-Jesu-Kult zu unterbinden. Im Kapitel „S. Cuore e Controrivoluzione“ (76-90) beschreibt Menozzi, wie die Wirkungsgeschichte der Weihe Ludwigs XVI. an das Herz Jesu sowie 1827 die Neuauflage eines Werkes Bonnardel’s über die Herz-Jesu-Bruderschaft dazu führten, dass „la devozione al s. Cuore si legava ad una prospettiva politica monarchica e confessionale“ (88) im Rahmen einer hierokratisch organisierten Gesellschaft.

Der zweite Teil des Buches „Il ‚regno sociale del s. Cuore’: una proposta per la lotta della chiesa contro liberalismo e socialismo“ (107-169) beschreibt die Entwicklung der politischen Dimension der Herz-Jesu-Verehrung in einer Zeit fortschreitender Säkularisierung. Diese Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass die bisher in der Herz-Jesu-Frömmigkeit zusammengehörigen Elemente der Rückkehr zur absolutistischen Monarchie und die Wiederherstellung einer christlichen hierokratischen Gesellschaft auseinander brechen: Vor allem Henri Ramière mit seiner Theorie der sozialen Königsherrschaft Christi über die Nationen bereitet nicht nur der Neutralität der Kirche in Regierungsfragen den Boden, sondern führt den katholischen Intransigentismus in eine offensive Position, in der die Verwirklichung des sozialen Reiches Christi die einzige Möglichkeit ist, im epochalen Konflikt zwischen Revolution und Kirche die gesellschaftliche Apostasie aufzuhalten. In dieser Perspektive wird die Herz-Jesu-Verehrung „il canale con cui giungere a quella società cristiana che, riconoscendo i poteri regali di Cristo, rovesciava il processo di secolarizzazione avviato dalla Rivoluzone francese ed ancora operante nel mondo contemporaneo” (125). In diesem Sinn orientiert er das 1844 gegründete Gebetsapostolat um und leitet die Zeitschrift Messager du Coeur de Jésus. Die derart propagierte Herz-Jesu-Verehrung entfernt sich zusehends von doloristischen und viktimalen Aspekten hin zu einem aktiven Einsatz „per la restituzione a Cristo della sua regalità sulla vita collettiva” (132).

Unter dem Titel „III. Il ‘nuovo labaro di Costantino’: Il s. Cuore e il progetto di restaurazione sociale di Leone XIII” (171-240) arbeitet Menozzi heraus, wie die Herz-Jesu-Verehrung unter Leo XIII. in das päpstliche Lehramt unter den spezifischen Vorgaben seines politischen Programmes aufgenommen wurde.

Während unter Pius IX. die Opposition zur modernen Welt im Vordergrund stand, ging Leo XIII. offensiv an die Errichtung einer christlichen Gesellschaft. In Rerum Novarum stellte er die Herz-Jesu-Verehrung vor als Quelle jener “virtù che, portando all’instaurazione di un ordine sociale cristiano, potevano sanare tutti i mali del mondo contemporaneo cui socialismo e liberalismo davano risposte inadeguate” (171). Unter dem Pecci-Papst vollzog sich die in den 60er Jahren v.a. durch Ramière angebahnte Verbindung zwischen Herz-Jesu-Verehrung und dem sozialen Reich Christi, die dann 1899 in der Enzyklika Annum Sacrum und der Weihe der Menschheit an das Heiligste Herz Jesu gipfelte.

Auf dem Weg zu Annum Sacrum kam der 1882 in Paray-le-Monial vom Baron Alexis de Sarachaga gegründeten Société du règne social de Jésus Christ eine besondere Bedeutung zu. Auf der kulturellen Ebene ging es der Société darum, durch Studien, Kongresse, Veröffentlichungen die These der Königsherrschaft Christi zu erforschen und zu belegen. Auf propagandistischer Ebene sollte diese Überzeugung u.a. durch die Zeitschrift Le Règne de Jésus Christ (ab 1883) verbreitet werden. Die Originalität ihrer Thesen bestand in der „connessione tra culto eucaristico e regno sociale“ (176), ohne dabei auf die Herz-Jesu-Verehrung als „strumento fondamentale per il ritorno ad un ordinamento ierocratico“ (176) zu verzichten.

Unter dem Einfluss des Jesuiten Sanna Solaro machte die Société (später Société des fastes eucharistiques du Sacré-Coeur) sich die Propagierung einer Art Lehnseid an das Hl. Herz Jesu zum Anliegen. Im Unterschied zu den schon bekannten Weihen an das Hl. Herz (consacrazione) griff der Begriff omaggio-ligio auf das mittelalterliche Ritter- und Vassallenrecht zurück: „l’omaggio-ligio al s. Cuore diventa la concreta manifestazione del riconoscimento della regalità sociale di Cristo e dell’impegno dei credenti a realizzarla” (180). Einen ersten Höhepunkt sollte diese Bewegung im August 1889 erreichen, als sie im Rahmen der Gegenveranstaltungen zur 100-Jahr-Feier der Französischen Revolution und zum 200. Jahrestag der Offenbarungen an Margherite-Marie Alacoque nach Paray-le-Monial zum feierlichen, öffentlichen Lehnseid an das Hl. Herz Jesu einlud. Während P. Dehon enthusiastisch auf die Initiative reagierte (Brief vom 14.6.1889 an Sarachaga), waren andere führende Vertreter des Katholizismus vorsichtiger. Noch hatten die kirchlichen Autoritäten, vom Ortsbischof bis zum Vatikan, diesen weiteren Schritt einer formalen Politisierung der Herz-Jesu-Verehrung nicht vollzogen, so dass der Treueschwur von Paray ohne die Teilnahme höherer kirchlicher Würdenträger vollzogen werden musste.

Die Zurückhaltung Roms erklärt sich nicht so sehr aus inhaltlichen Differenzen, sondern sowohl aus innerkirchlichen Rücksichtnahmen als auch aus zunehmender Skepsis gegenüber den pseudo-historischen Forschungen Sarachagas, der bei seinem Versuch, Beweise für die Legitimität der Königsherrschaft Jesu mittels einer so genannten intuitiven Wissenschaft schon in der vor-schriftlichen Geschichte zu finden, zusehends in christlich-esoterische Dimensionen abgleitete (186). Dass sich die Anliegen der Société von Paray dennoch im Laufe der Jahre immer mehr der Anerkennung in Rom erfreuen durften, lag nicht zuletzt am Wirken Leo Dehons, „personaggio di spicco dell’associazione parodiana, dal momento che, come sappiamo, faceva parte del suo comitato direttivo e ne sosteneva pienamente le iniziative” (188).

In einem eigens Dehon gewidmeten Kapitel „III.3. L’apporto del p. Dehon: s. Cuore e democrazia cristiana” (188-197) stellt Menozzi Dehon stark in Beziehung zur Société von Paray und beschreibt seinen Beitrag zur weiteren Politisierung der Herz-Jesu-Verehrung unter Leo XIII.

Ein erster wichtiger Aspekt im Wirken Dehon’s ist die Loslösung der Verbindung von Monarchie und Herz-Jesu-Verehrung: „In particolare un notevole contributo a svincolare l’ideologia della regalità sociale dalle tesi legittimiste, collegandola invece con gli orientamenti politici proposti dal papa, doveva venire proprio dal p. Dehon...” (191). In diesem Zusammenhang geht Menozzi auf den Kontakt Dehons zu P. Matovelle ein, der in Ekuador sowohl als Ordensgründer, Senator und Publizist tätig war (gab ab 1884 La republica del Sagrado Corazón heraus). Obwohl der Versuch einer Fusion der beiden Kongregationen schnell scheiterte, war der Kontakt mit Matovelle und den Erfahrungen Ekuadors nicht ohne Folgen für Dehon: „... era l’esempio ecuadoriano a mostrare concretamente a Dehon la possibilità di saldare la spiritualità oblativa che egli vedeva come nota essenziale della sua congregazione con l’impegno alla riedificazione di un ordine sociale cristiano cui voleva indirizzare i suoi membri” (192). Mehr noch: “...la propagazione dell’idea del regno sociale del s. Cuore entrava negli scopi fondamentali degli aderenti al suo sodalizio: essi si sarebbero consacrati al s. Cuore allo scopo di conseguire questo obiettivo” (192). In diesem Sinn war der Titel der von Dehon 1889 gegründeten Zeitschrift Programm : In Le règne du Coeur de Jésus dans les âmes et dans les sociétés wird Dehon bis zur Einstellung der Publikation 1903 die Verbindung zwischen Herz-Jesu-Verehrung und sozialem Reich Christi als Grundlinie durchhalten. Genau in dieser Perspektive wirbt Dehon für die Ralliement-Politik des Papstes: „I suoi articoli infatti chiarivano il significato reale del ralliement. Non si trattava di aderire a quei valori scaturiti dalla Rivoluzione, di cui la repubblica francese si dichiarava erede; ma occorreva semplicemente accettarli come ‘ipotesi’, in vista di facilitare nelle circostanze date la ricostruzione di quello stato cattolico che doveva rappresentare per tutti i fedeli, indipendentemente dal tipo di regime per cui simpatizzavano, l’obiettivo ierocratico da conseguire” (193). Insbesondere in der schwierigen französischen Situation (Konflikte innerhalb des Katholizismus, Konflikte im Verhältnis Kirche - Staat) trafen derartige Positionen Dehons auf römische Sympathie. Dies wiederum blieb nicht ohne Folgen für die Haltung Roms gegenüber der Société von Paray: „Il favore verso Dehon ricadeva inevitabilmente su di essa“ (194).

Ein weiterer Grund für die römische Gunst gegenüber Dehon war sein Wirken im Kontext der sozialen Frage. Schon vor Rerum Novarum hatte Dehon das Herz Jesu als Lösung der sozialen Frage propagiert: „... le Sacré-Coeur de Jésus inspirera à nos sociétés chrétiennes les moyens de rétablir la paix sociale et de faire régner le bonheur et l’aisance au foyer des travailleurs“ (194, zitiert OSC I, 8). Nach den Offenbarungen an Margherite-Marie Alacoque drängte das Herz Jesu in neuer Dynamik zu einem gesellschaftlich relevanten Miteinander von Kirche und Volk: „l’union de l’église et du peuple dans l’amour de Jésus-Christ prépare le règne social du Sacré-Coeur“ (194, zitiert OSC I, 18-21). In seinen Schriften nähern die beiden Begriffe Christliche Demokratie und soziales Reich des Herzens Christi sich einander immer mehr an: “Ora l’impegno dei cattolici per un ordinamento democratico, portando gli strati meno abbienti della società a partecipare alla vita politica per regolare secondo maggiore equità i rapporti della vita collettiva, realizzava l’istanza fondamentale del s. Cuore. In tal modo il movimento cattolico-democratico gli appariva lo strumento indispensabile alla traduzione del messaggio di Margherita Maria sul piano storico-politico. Ben presto democrazia cristiana e regno sociale del Cuore di Cristo diventeranno nel linguaggio del religioso espressioni equivalenti” (195, mit Verweis auf OSC V/2, 199. 371).

Das Wirken Dehons trug wesentlich dazu bei, dass Rom schließlich vor allem die von Paray propagierte Perspektive einer sozialen Königswürde Christi öffentlich mehr und mehr anerkannte. (197). Diese Anerkennung wurde insbesondere auf den neu geschaffenen Eucharistischen Kongressen immer deutlicher, wo unter dem Einfluß der Société von Paray zunehmend gerade hohe kirchlichen Würdenträger nicht nur ihre inhaltliche Zustimmung signalisierten, sondern ganz im Sinne Sanna Solaros (und Dehons) mehr und mehr bereiten waren „di compiere un atto formale in riconoscimento della regalità di Cristo sulla società“ (210). Diese Entwicklung sollte in der Enzyklika Annum Sacrum 1899 ihren Höhepunkt erreichen, mit der der Papst alle Katholiken dazu anhielt, im Juni 1899 gemäß der von ihm vorgegebenen Formel in allen Kirchen der Welt die Menschheit dem Herzen Jesu zu weihen.

Die Enzyklika - in einem komplexen und kontrastreichen Redaktionsprozess entstanden - griff in der Analyse der Gegenwart auf traditionelle intransigente Schemata zurück und „poiché tutti i mali del presente sono rappresentati... come un castigo inviato da Dio per quella modernità politica che ha introdotto la separazione dello stato dalla chiesa, il risanamento della società inevitabilmente risulta dipendere dal ripristino dell’autorità ecclesiastica sulle normative civili” (221). Dabei kam der Herz-Jesu-Verehrung eine besondere Bedeutung zu. Leo XIII. „identificava il regno sociale di Cristo con il ristabilirsi della direzione ecclesiastica sulla vita collettiva e vedeva nel culto al s. Cuore un canale devozionale idoneo a favorirne la realizzazione” (219).

Mit der Enzyklika wurden die von Ramière in den 60er Jahren begonnenen und dann in Paray weitergeführten Theorien in das päpstliche Lehramt aufgenommen: „L’assunzione nell’insegnamento pontificio della connessione tra s. Cuore e regno sociale di Cristo” (243).

In den nachfolgenden Kapiteln beschreibt Menozzi, wie die Nachfolger Leo’s XIII. bei wandelnden Formen der Grundlinie des Pecci-Papstes treu blieben: Ob Familienweihe an das Hl. Herz Jesu, die später vom Pius X. verbotene Krönung des Hl. Herzens oder die Inthronisierung des Heiligsten Herzens in den Familien: Ziel blieb „la costruzione del regno sociale del s. Cuore” (257), wobei vorübergehend neben dem Nachdruck auf dem kollektiven und institutionellen Bekehrungsakt auch die Notwendigkeit einer evangeliumsgemäßen Lebenspraxis betont wurde (259).

Gegen manche Bestrebung, ein gemeinsames liturgisches Christkönigs- und Herz-Jesu-Fest einzuführen, um somit institutionelle und individuelle Dimensionen notwendiger Bekehrung nicht auseinander zu brechen, entschied 1925 Pius XI. „di sottolineare non l’amore di Gesù, che, additando il suo Cuore, invitava amichevolmente gli uomini a mutare le loro disposizioni interiori, ma l’autorità ed i diritti trasmessi da Cristo Re alla chiesa” (281).

In einem kurzen Schlußkapitel “Epilogo. La funzione politica del culto al s. Cuore nel magistero novecentesco” (295-306) geht Menozzi auf die Bemühungen der Standortbestimmung der Herz-Jesu-Verehrung nach der Einrichtung des Christkönigs-Festes ein. Nun, da es ein eigenes liturgisches Fest des sozialen Reiches Christi gab, war die Frage offen geblieben, welches das Spezifikum der Herz-Jesu-Verehrung sein sollte. Pius XI. 1928 mit Miserantissimus redemptor und 1932 mit Caritate Christi wies ihr einen vor allem sühnenden Charakter zu: „in verità lo spirito di espiazione e di riparazione ebbe sempre le prime e principali parti nel culto con cui si onora il Cuore sacratissimo di Gesù” (296). Diese Sühne bezog sich jedoch weiterhin nicht nur auf persönliche Verfehlungen, sondern auch auf kollektive Vergehen, worunter nach wie vor vor allem die Säkularisierung und Laisierung der Gesellschaft verstanden wurde. Grundsätzlich blieb auch Pius XII. 1939 mit Summi pontificatus und 1956 mit Haurietis aquas dieser Linie treu. Er ist jedoch nach langer Zeit wieder der erste Papst, der die Herz-Jesu-Verehrung auch innerhalb einer katholischen Kirche verteidigen musste, in der sich immer mehr Gläubige nicht mehr mit der in der Herz-Jesu-Verehrung festgeschriebenen Frontstellung von Kirche und Moderne abfinden mochten.

Die Liturgiereform im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil versuchte, den theologischen Entwicklungen Rechnung zu tragen, indem die liturgischen Texte, welche die Herz-Jesu-Verehrung betrafen, nunmehr die Barmherzigkeit gegenüber der Wiedergutmachung und Sühne betonen. „È in questo contesto, caratterizzato dalla ricerca di un equilibrio tra tradizione e rinnovamento, che occorre situare il magistero di Giovanni Paolo II” (302). Dessen Position zur Herz-Jesu-Verehrung fasst Menozzi abschließend folgendermaßen zusammen: “Se non è più considerato un alimento religioso per orientare i fedeli alla riconquista ‘totalitaria’ dello stato, resta pur sempre un fattore spirituale ritenuto idoneo a spingere i credenti all’intervento politico per adeguare il diritto familiare e altri aspetti del consorzio civile alle norme cattoliche” (304).

III. Schlussbemerkungen

Angesichts eines so umfangreichen Werkes wie dem vorliegenden Buch von Daniele Menozzi ist es schwierig, eine angemessene kritische Würdigung vorzunehmen. Nicht zuletzt mangelnde Kompetenz lassen mich gegen Ende dieser Buchvorstellung eher zu einigen Schlussbemerkungen greifen, die vor allem die Dehon betreffenden Teile in den Blick nehmen.

Die erste Feststellung ist die zweifellos für uns erfreuliche, dass Dehon in einer akademischen nicht-dehonianischen Monographie in derart umfangreicher Weise thematisiert wird. Dies ist ein Novum, und die Tatsache, dass es sich bei dem Autor um einen renommierten Historiker handelt, gibt ihr noch zusätzliches Gewicht. Über diese freudige Feststellung hinaus ist es für uns lehrreich und anregend zu sehen, in welchen Zusammenhängen Menozzi der Figur Dehons Aufmerksamkeit schenkt.

Das Buch Menozzi’s zeichnet sich durch eine gründliche Kenntnis vor allem der Oeuvres Sociales Dehons aus. Darüber hinaus erhalten wir einmal mehr einen Hinweis auf bisher unbekanntes Material, wenn er z.B. einen Brief an Sarachaga zitiert (181), der sich in den Archiven Sarachaga in Paray-le-Monial befindet. Andererseits wurde die umfangreiche Dehon-Korrespondenz, die sich in unseren Generalarchiven in Rom befindet, offensichtlich nicht genutzt. Bei der umfangreichen Behandlung Dehons hätte dies auch der vorliegenden Arbeit von Nutzen sein können, denn die zahlreichen Briefe an und von Sarachaga, Matovelle oder den Bischof von Autun bringen z.B. die Vermittlerrolle Dehons mitunter exakter auf den Punkt, als dies in Veröffentlichungen, wie sie in den Oeuvres Sociales enthalten sind, ablesbar ist.

Die Beziehungen Leo Dehons zur Société von Paray-le-Monial und ihren Mitgliedern scheint bisher ein Stiefkind unserer ordensinternen Geschichtsschreibung gewesen zu sein. In umfangreichen Biographien wie der Manzonis werden sie nur stichwortartig erwähnt. Eine Ausnahme stellt lediglich die Arbeit von Bourgeois in Studia Dehoniana 25 dar. Menozzi führt uns nicht nur die Bedeutung der Société von Paray innerhalb des Prozesses der Politisierung der Herz-Jesu-Verehrung vor Augen, sondern arbeitet auch die Funktion Dehons sozusagen als Bindeglied zwischen Paray und Rom heraus.

Was wissen wir eigentlich über die Herz-Jesu-Verehrung im Lehramt des augenblicklichen Papstes? Wenngleich das Buch mit seinem Interesse an dem historischen Prozess der politischen Implikationen der Herz-Jesu-Frömmigkeit den Aussagen Johannes Pauls II. geringen Raum zumisst, kann von diesem Buch aus die Anregung an unser Institut ergehen, sich bei dem Bemühen um eine Aktualisierung des eigenen Charismas auch um die Aktualisierung von Theologie, Spiritualität und Frömmigkeit bezüglich des Herzens Jesu auf der Ebene des päpstlichen Lehramtes zu kümmern. Viel mehr als ein kurzes Editorial von P. Tessarolo in Dehoniana 99/3 scheint es in jüngster Zeit dazu nicht zu geben.

Auf zwei Erkenntnisse sei hingewiesen, die zwar nicht unbedingt neu sind, jedoch in Menozzi’s Buch Seite um Seite hervorragend in ihren zahlreichen Facetten herausgearbeitet werden und für eine der Herz-Jesu-Verehrung verpflichteten Ordensgemeinschaft um so bedeutender sind: Als mit Margherite-Marie Alacoque die Herz-Jesu-Frömmigkeit über die Konvente hinaus zu einer Massenfrömmigkeit wurde, geschah dies unter dem Vorzeichen der Konfrontation der katholischen Kirche mit der Moderne. Politisierung und Anti-Modernismus sind zwei Attribute, die dieser Frömmigkeit bei ihrem Gang durch die Geschichte anhängen. Beide Attribute haben innerhalb dieser Frömmigkeit historisch enge Beziehungen zu einander. Wenngleich die Lektüre des Buches nahe zu legen scheint, dass diese beiden Attribute in der Herz-Jesu-Verehrung ausschließlich im Doppelpack zu haben sind, wäre es m.E. fruchtbar, sie deutlicher voneinander zu scheiden, deutlicher jedenfalls, als es bei Menozzi der Fall ist: „Non è infatti caduta quella politicizzazione che aveva connotato la devozione nella lunga stagione dello scontro della chiesa con la modernità. Il s. Cuore appare ancora come la riparazione al peccato dell’uomo moderno che ha rivendicato l’autonomia dell’organizzazione sociale dai valori cristiani“ (304). Geht es Menozzi lediglich um “quella politicizzazione” oder verbirgt sich dahinter die nur mühsam verborgene Forderung des Autors nach der Entpolitisierung der (Herz-Jesu-)Frömmigkeit? Wie immer die Antwort sein mag: Angesichts der geschichtlichen Belastung der Herz-Jesu-Frömmigkeit - die zumindest laut Menozzi grundsätzlich bis heute fortdauert - muss sich unsere Gemeinschaft sehr genau über das Verhältnis von Christentum und Moderne, über ihr heutiges Verständnis von Herz-Jesu-Verehrung und daraus resultierende eventuelle politische Implikationen klar sein.

Der Untertitel des Buches spricht von der „restaurazione cristiana della società“. Tatsächlich führt Menozzi den Leser hervorragend durch die Jahrhunderte und weist jeweils durch eine beeindruckende Literaturkenntnis auf, wie die Herz-Jesu-Verehrung zum Zwecke der o.g. Restauration weiter entwickelt und politisiert wurde. Besonders ausführlich ist hierbei der Durchgang durch das Werk Henri Ramières, der als erster systematisch das soziale Reich Christi und die Königsherrschaft Christi durchdachte, sie in die Herz-Jesu-Verehrung integrierte, diese derart als eminent politische Frömmigkeit propagierte und somit als ein früher Wegbereiter der Enzyklika Annum Sacrum gelten kann. Während Menozzi sich immer wieder differenziert darum bemüht, den Prozess der Politisierung der Herz-Jesu-Verehrung in jeder Epoche und beim jeweiligen Autor so genau wie möglich nachzuzeichnen, bleibt der Autor beim Ziel dieser Politisierung relativ wortkarg und beschränkt sich auf die Wiederholung von Schemata, die aussagekräftiger klingen als sie tatsächlich sind: ”ricostruzione di un ordinamento ierocratico“ (106) ” l’obiettivo ierocratico da conseguire” (193), „restaurare un potere ierocratico“ (295), „restaurare un potere ierocratico“ (295), wobei der Begriff ‚ierocratico’ für Menozzi scheinbar gleichzusetzen ist mit „una società soggetta alle direttive ecclesiastiche“ (107). Dies sind nur einige Beispiele, die den Leser mit seiner Frage alleine lassen, wie denn diese Priester- oder Papstherrschaft zu denken sei. Lediglich bei der Erläuterung der Position Ramières bezüglich der anzustrebenden Regierungsform greift der Autor auf Jacques Gadille und dessen Kategorien des „potere diretto, del potere indiretto e del potere direttivo della chiesa sulla collettività” zurück (116). Bei Menozzi wird nicht deutlich - mit Ausnahme von Ramière -, wie die einzelnen Autoren sich die Macht des Papst über die Gesellschaften vorstellen. Gravierender noch: dass die mit Hilfe der Herz-Jesu-Verehrung zweifellos angestrebte „restaurazione cristiana della società“ tatsächlich bei allen Protagonisten dieser Frömmigkeit immer mit einem „ordinamento ierocratico“ verbunden ist, wird mehr behauptet als erwiesen. Wer sich jedoch z.B. das Schrifttum Dehons anschaut, wird kaum um folgende Feststellung herumkommen: Tatsächlich gibt es v.a. in den Directions Pontificales (1897), in denen Dehon die päpstlichen Lehren u.a. zum Verhältnis Staat und Kirche präsentiert, Aussagen, die die These von Menozzi stützen. So schreibt Dehon bezüglich der Rechte der Kirche: “Il faut que, parmi les organes principaux de la vie politique et sociale, il y ait des éléments religieux, pondérateurs, immuables et sacrés, qui puissent au moment voulu, prévenir ou corriger, au profit de la loi chrétienne, les caprices brutaux d'un maître, ou les erreurs dangereuses de la multitude maîtresse“ (OSC II, 400). Doch vielleicht noch wichtiger ist die Beobachtung, dass sich ansonsten in den zahlreichen Schriften Dehon’s v.a. ab Mitte der 90er Jahre kaum eine Aussage zur indirekten oder gar direkten potestas der Kirche in der zivilen Gesellschaft findet. Gleichzeitig gibt es eine Fülle von Beiträgen, in denen Dehon - wie von Menozzi aufgezeigt - für ein Engagement in der Republik wirbt, um im Gang durch die Institutionen zu christlichen Gesetzgebungen zu gelangen. Nun schließt tatsächlich das Werben für ein republikanisches Engagement und die Vision einer hierokratischen Gesellschaft sich nicht gegenseitig aus, da es ein Argumentieren auf verschiedenen Ebenen ist. Festzuhalten bleibt ein zunehmendes Schweigen über die Rolle der Kirche in einer - weit entfernten - christianisierten Gesellschaft gegenüber dem multiplen und facettenreichen Nachdenken über die Rolle der Kirche in einer - sehr präsenten - zu christianisierenden Gesellschaft. Der Druck des Faktischen? Strategisches Schweigen? Unfreiwilliger und doch subtiler Abschied von einer Vision, die doch zu sehr der Vergangenheit anhing und nun durch die Gegenwart delegitimiert wurde? Vieles bleibt noch zu klären.

Eine letzte Frage, zu der die Lektüre des Buches anregt: Wenn Menozzi u.a. das päpstliche Lehramt und einige herausragende Figuren auf der Suche nach Entwicklungslinien in der Politisierung der Herz-Jesu-Verehrung beachtet, so bleibt weitgehend offen, in wieweit dieser Aspekt der Herz-Jesu-Frömmigkeit von den ‚Frommen’ auch rezipiert wurde. Einige Andeutungen dazu finden sich in den Ausführungen über die Tumulte in der Toscana 1790 gegen die Linie Riccis (73), in der schwierig zu beurteilenden Wirkung des Messager Ramières (130) oder in den Kapiteln über die Herz-Jesu-Weihe der Familien und die Inthronisierung des Hl. Herzens in den Familien, ebenso - nur unter umgekehrten Vorzeichen - in den Andeutungen des Dissenses innerhalb der katholischen Kirche über die Herz-Jesu-Verehrung unter Pius XII. (301). Zweifellos ein schwieriges und komplexes Unterfangen, in das u.a. Untersuchungen der Ikonographie, Frömmigkeitsliteratur, Wahlverhalten etc. eingehen müssten. Das Thema in diesen Zeilen anzusprechen, ist keineswegs als Andeutung eines Mankos in der Arbeit Menozzis zu verstehen, sondern lediglich eine Thematik, die sich fast organisch an sein lehrreiches und wichtiges Buch anschließt.

Stefan Tertünte, scj